Zu meinem Geburtstage, der mir diese Woche erscheint,
hätte mir kein angenehmer Geschenk werden können als Ihr Brief,
in welchem Sie, mit freundschaftlicher Hand,
die Summe meiner Existenz ziehen und mich, durch Ihre Teilhabe,
zu einem emsigern und lebhafteren Gebrauch meiner Kräfte aufmuntern.
Reiner Genuss und wahrer Nutzen kann nur wechselseitig sein,
und ich freue mich, Ihnen gelegentlich zu entwickeln:
was mir Ihre Unterhaltung gewährt hat,
wie ich von jenen Tagen an auch eine Epoche rechne,
und wie zufrieden ich bin,
ohne sonderliche Aufmunterung,
auf meinem Weg fortgegangen zu sein,
da es nun scheint,
als wenn wir, nach einem so unvermuteten Begegnen,
miteinander fortwandern müssten...
Alles, was an und in mir ist,
werde ich mit Freuden mitteilen.
Denn da ich sehr lebhaft fühle,
dass mein Unternehmen das Maß der menschliche Kräfte
und ihrer irdischen Dauer weit übersteigt,
so möchte ich manches bei Ihnen deponieren
und dadurch nicht allein erhalten,
sondern auch beleben.
Wie groß der Vorteil Ihrer Teilnehmung für mich sein wird,
werden Sie bald selbst sehen,
wenn Sie, bei näherer Bekanntschaft,
eine Art Dunkelheit und Zaudern bei mir entdecken werden,
über die ich nicht Herr werden kann,
wenn ich mich ihrer gleich sehr deutlich bewusst bin.
Doch dergleichen Phänomene
finden sich mehr in unserer Natur,
von der wir uns denn doch gerne regieren lassen,
wenn sie nur nicht gar zu tyrannisch ist.
Ich hoffe bald einige Zeit bei Ihnen zuzubringen,
und dann wollen wir manches durchsprechen.
So schrieb Goethe in einem Brief an Schiller
am 27. August 1794;
sein Geburtstag ist der 28. August 1749.