Zu Hause aufgeräumt,
meine Papiere durchgesehen
und alle alten Schalen verbrannt.
Andre Zeiten, andre Sorgen.
Stiller Rückblick aufs Leben,
auf die Verworrenheit, Betriebsamkeit,
Wissbegierde der Jugend,
wie sie überall herumschweift,
um etwas Befriedigendes zu finden.
Wie ich besonders in Geheimnissen,
dunklen imaginativen Verhältnissen
eine Wollust gefunden habe.
Wie ich alles Wissenschaftliche nur halb angegriffen
und bald wieder habe fahren lassen,
wie eine Art von demütiger Selbstgefälligkeit
durch alles geht,
was ich damals schrieb.
Wie kurzsinnig in menschlichen und göttlichen Dingen
ich mich umgedreht habe.
Wie des Tuns, auch des zweckmäßigen Denkens und Dichtens so wenig,
wie in zeitverderbender Empfindung
und Schatten Leidenschaft
gar viel Tage vertan,
wie wenig mir davon zu Nutz kommen
und da die Hälfte nun des Lebens vorüber ist,
wie nun kein Weg zurückgelegt,
sondern vielmehr ich nur dastehe wie einer,
der sich aus dem Wasser rettet
und den die Sonne anfängt wohltätig abzutrocknen...
Gott helfe weiter.
Und gebe Lichter,
dass wir uns nicht selbst so viel im Weg stehn.
Lasse uns von Morgen zum Abend das Gehörige tun
und gebe uns klare Begriffe von den Folgen der Dinge.
Dass man nicht sei wie Menschen,
die den ganzen Tag über Kopfweh klagen
und gegen Kopfweh brauchen
und alle Abend zu viel Wein zu sich nehmen.
Möge die Idee des Reinen,
die sich bis auf den Bissen erstreckt,
den ich in den Mund nehme,
immer lichter in mir werden.
J.W. Goethe
Tagebuch vom 7.August 1779
Die Fotos sind aufgenommen in der und um die
katholische Pfarrkirche St. Johannes Baptist und Sebastian
Mit diesem Beitrag schließt sich der Kreis um Goethes Geburtstag.
Welche berührender Rückblick.
AntwortenLöschenIch danke dir für diesen Geburtstagkreis.
Sag mal, lebst du so dicht mit Goethe, dass dir diese Stellen bewusst sind und du sie bloss aufzuschlagen brauchst oder hast du danach gesucht oder haben sie dich einfach gefunden?
Wir haben eine Goethe-Gesamtausgabe, die braucht ziemlich viele Zentimeter Regal.
Einen lieben Gruss in einen neuen Lausch-, Schau- und Empfangtag
Gabriela
"Die Weiber haben das Eigene, dass sie das Fertige zu ihren Absichten verarbeiten und verbrauchen. Das Wissen, die Erfahrung des Mannes nehmen sie als ein Fertiges und schmücken sich und anderes damit. Nicht die Raupe zu erziehen, das Kokon abzuhaspeln, die Seide zu spinnen, zu färben und zu appretieren, sondern sie zu Blumen zu versticken oder in schon gewebtem Stoffe sich damit zu putzen, ist im allegorischen Sinnen dieses Bildes ihre Sache."
AntwortenLöschenLiebe Gabriela,
in dieser zurückliegenden Woche habe ich schon dicht mit Goethe gelebt und manches auch gesucht und danach geblättert. Ein kleines Buch "Mit Goethe durch den Garten" ist das abgegriffenste unserer Goethebücher. Sehr schön ist auch ein "Goethe-Brevier" aus dem Reclam-Verlag, das seine Aussagen in verschiedenen Themenkreisen zusammenstellt. Der Tagebucheintrag, den ich heute eingestellt habe, ist aus diesem Brevier. Ich habe längst, längst nicht alles gelesen; ich bin ein Herauspicker in dem Sinne, wie Goethe im obigen Zitat die "Weiber" beschreibt.
hach, zum glück, liebe gabriela, bist du eine "gwundernase" :-))))
AntwortenLöschengenau diese fargen habe ich mir natürlich auch gestellt und bekomme nun wunderbarst die antworten geliefert!
lieben leuchtegruss euch beiden
christina
Herrlich, dieser Goethe, ich hätte den gerne mal lachen gehört.
AntwortenLöschenHerzlich
Gabriela