06/05/2010

sieh mal an




"Der Seher aber erlebt das, 
was für ihn Inhalt des geistigen Erlebnisses ist, 
außerhalb der Sprache. 
Das ist etwas, was man schwer klarmachen kann, 
weil die meisten Menschen in Worten denken, 
aber der Seher denkt wortlos und ist dann genötigt, 
das, was wortlos ist im Erleben, 
in die schon geformte Sprache hineinzugießen. 
Er muss sich den formalen Verhältnissen 
der Sprache anbequemen. 
Er braucht dies nicht als Zwang zu fühlen, 
denn er kommt dahinter, 
worin das Geheimnis des Spracheschaffens besteht. 
Er kann sich verständigen dadurch, 
dass er das Vorstellungsmäßige der Sprache abstreift. 
Daher ist es so bedeutungsvoll, dass man begreift, 
es ist wichtiger, wie der Seher es sagt, 
als was er sagt. 
Was er sagt, ist bedingt durch die Vorstellung, 
die jeder von außen herein mitbringt. 
Er ist genötigt, um nicht als Narr angesehen zu werden, 
das, was er zu sagen hat, 
in gangbare Sätze und Vorstellungsverknüpfungen
zu kleiden ... 
Der steht ihm richtig gegenüber, 
der da auf das Wie des Ausdruckes kam, 
der darauf kam, dass der Seher achtgibt, 
manches kurz, anderes breiter, 
anderes gar nicht zu sagen, 
dass er genötigt ist, 
den Satz von einer Seite so zu formulieren, 
dann einen anderen dazuzusetzten 
von der anderen Seite her ... 
Daher ist es wichtig zum Verständnis, 
weniger bloß auf den Inhalt zu hören, 
der natürlich als Offenbarung der Geisteswelt 
auch wichtig ist, 
als durch den Inhalt durchzudringen auf die Art, 
wie der Inhalt ausgedrückt wird, 
um zu sehen, 
ob der Redner nur Sätze und Theorien koppelt, 
oder ob er aus Erfahrung redet. 
Das Sprechen aus der Geisteswelt wird sichtbar 
im Wie des Gesagten, 
nicht so sehr im Inhalt, 
sofern er theoretischen Charakter hat, 
sondern wie er zum Ausdruck kommt."


Rudolf Steiner, GA 271, 5.5.1918 








3 Kommentare:

  1. Stefanie
    darf ich mit dir wieder einmal einen Staun-Moment teilen?
    Ich habe mein Post zwar nach deinem geschrieben, deines aber nach meiner Veröffentlichung gefunden. Irgendwann staune ich wahrscheinlich nicht mehr, weil es klar wird.
    Ich wünsche dir einen guten Tag!
    Gabriela

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  2. Guten Morgen Ihr Lieben
    Bewegende Worte am Morgen. Mir fehlen so viele, um das Paradoxon im Hier und Jetzt zu umschreiben. Seit 4.30 Uhr bin ich «unterwegs» in meiner Kapelle in meinem Schweige-Paradies. Um 6.00 Uhr habe ich zu fotografieren begonnen. Andacht pur.

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  3. Guten Morgen, Gabriela und Monika,
    am Bahnhof ist uns kurz nach neun eine Frau begegnet, die heute nach Weißenburg fährt.
    Die Hin-Weise werden immer dichter und konkreter. Nicht auf etwas Bestimmtes, sondern als Sprache dafür, wie Geistiges wirkt und wie verbunden wir im Geistigen sind.
    Dauer-anwesend im überAll.

    Schwache Worte
    für große Dinge.

    Das dritte Hinweisschild zeigt ein Weinglas; es kann auch ein Kelch sein.

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