22/01/2010

gegenLiebe

"Den weiteren Aufstieg in der Erkenntnis erlangt man dadurch, dass man die Kraft der Liebe zu einer Erkenntniskraft macht.

Nur darf es nicht die triviale Liebe sein, von der allein in unserer materialistischen Zeit zumeist gesprochen wird, sondern es muss diejenige Liebe sein, die imstande ist, sich eins zu fühlen mit einem Wesen, das man selber nicht ist in der physischen Welt; also wirklich fühlen können das, was in dem anderen Wesen vorgeht, ebenso wie das, was in einem selbst vorgeht, ganz aus sich herausgehen können und wieder aufleben in dem anderen Wesen.

Im gewöhnlichen Menschenleben bringt sich dieses Lieben nicht bis zu einem solchen Grade, der notwendig ist, um die Liebe zu einer Erkenntniskraft zu machen.

Da muss man schon zuerst dieses leere Bewusstsein hergestellt haben, muss auch einige Erfahrungen mit dem leeren Bewusstsein gemacht haben.

Ja, dann macht man etwas durch, was freilich viele Menschen nicht suchen, indem sie nach höherer Erkenntnis streben.
Da macht man nämlich etwas durch, was man nennen könnte  
den Erkenntnisschmerz, das Erkenntnisleid.

Wenn der Mensch irgendwo eine Wunde hat, dann schmerzt ihn das. Warum? Weil sein geistiges Wesen dadurch, dass der physische Leib verletzt wird, an dieser Stelle den physischen Leib nicht richtig durchdringen kann.
Aller Schmerz rührt davon her, dass man irgendwie den physischen Leib nicht durchdringen kann. Und wenn man an etwas Äußerlichem Schmerz erlebt, so ist es auch aus dem Grunde, weil man sich damit nicht vereinigen kann.

Hat man das leere Bewusstsein erlangt, in das eine ganz andere Welt als diejenige, an die man gewöhnt ist, hereinflutet, dann hat man für die Momente, in denen man diese inspirierte Erkenntnis hat, den ganzen physischen Menschen nicht, dann ist alles wund, dann schmerzt alles.

Das muss man zunächst durchmachen.

Man muss sozusagen das Verlassen des physischen Leibes als richtigen Schmerz, als richtiges Leid durchmachen, um zur inspirierten Erkenntnis zu gelangen, um dazu zu gelangen im unmittelbaren Anschauen, nicht bloß im Begreifen.

Das Begreifen natürlich kann ganz schmerzlos vor sich gehen und sollte von den Menschen erlangt werden, indem sie eben auch nicht durch den Initiationsschmerz hindurchgehen.

Aber um zu dem zu kommen, dasjenige bewusst zu erleben, was der Mensch eigentlich an sich hat aus dem vorgeburtlichen Dasein, was noch aus der geistigen Welt geblieben ist und in einen hereinwirkt, um dazu zu kommen, dazu gehört zunächst das Hinübergehen über den Abgrund des ganz allgemeinen, ich möchte sagen universellen Leides, universellen Schmerzes.

Und dann kann man die Erfahrung des Auflebens in einem ganz Andern haben, dann lernt man erst die höchstpotenzierte, die höchstgradige Liebe, die darinnen besteht, dass man wirklich nicht abstrakt sich selbst vergessen kann, sondern sich ganz außer acht lassen kann und ganz in das Andere hinüberkommen kann. 

Und wenn diese Liebe in Verbindung mit der höheren, inspirierten Erkenntnis auftritt, 
dann hat man eigentlich erst die Möglichkeit, 
mit all der Lebenswärme, 
mit all der Gemütsinnigkeit, 
mit all der Herzensinnigkeit, 
die natürlich etwas Seelisches ist, 
in das Geistige hineinzukommen. 
Und das muss man, 
wenn man weiterkommen will in der Erkenntnis. 
Die Liebe muss in diesem Sinne 
eine Erkenntniskraft werden."

Rudolf Steiner
GA 234, 2. Februar 1924

3 Kommentare:

  1. Seit 5 Jahren erlebe ich nichts anderes als DAS. Und ein weiterer Kreis schließt sich für mich.

    Liebe Stefanie
    Vor 21 oder 22 Jahren habe ich meinen Rennwagen gegen die Gesamtausgabe Rudolf Steiners «eingetauscht». Dieses Buch stand genau so lange im Regal. Eines der Bücher, die ich noch nicht gelesen hatte. Ich halte es «jetzt» in den Händen.
    Vielleicht versteht Du jetzt, was ich unter «entblättern» verstehe. Demütig sehe ich dem zu.

    Danke.
    Ich werde diesen Text auf MissionWir posten.

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  2. Guten Morgen, MonikaMaria,
    ich hatte mich/dich schon gefragt, wo du wohl bist.
    Da bist du.
    Mittwochs gehe ich abends zum anthroposophischen Zweig. Vorgestern nun verschenkte dort jemand Bücher aus einer aufgelösten Bibliothek. Als erstes griff ich zum "Johannes-Evangelium" von Rudolf Steiner. Dabei war auch Herr Kühlewind mit "Vom Normalen zum Gesunden". Erst im Verlauf des Abends fielst du mir ein und dass du vom Johannesevangelium gesprochen hattest und wir über Kühlewinds Buch. Und dann musste ich den ganzen Abend das Merkur-Siegel ansehen, und der musikalische Auftakt war eben dieses Klavierstück, das ich gestern eingestellt hatte. Und im Siegel tanzte das Gottesgeschenk.
    So war es.

    Stefanie

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  3. Liebe Stefanie

    Es ist ein gewaltiges Siegel von besonderer Erkenntniskraft. In vielen, anderen, stammelnden Worten habe ich versucht darüber zu schreiben in meinen Posts.

    Ich erlebe ein starkes Kraftfeld, das am Entstehen und zu einem Umsichgreifen wird.

    MonikaMaria

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